Ich gebe es ganz ehrlich zu: Wenn ich ein Porträt zeichnen oder malen soll, dann benutze ich entweder ein Raster oder einen Projektor. Dennoch kann man in Situationen kommen, dass man ein Porträt aus der freien Hand zeichnen muss. Vielleicht gehörst Du zu den wenigen, die so etwas in 5 Minuten aus der Hand schütteln können. Glückwunsch, dann brauchst Du hier nicht weiterzulesen. Für alle anderen aber möchte ich hier eine Methode vorstellen, mit der man ein Porträt konstruieren kann. Es gibt diverse Konstruktionsmöglichkeiten - für heute werde ich mich auf diese eine beschränken. Über die anderen Techniken werden wir zu einem späteren Zeitpunkt sprechen.
Nimm Dir ein Blatt Papier, das Idealmaß wäre A 3. Es kann weißes Papier sein, oder wie bei mir getöntes - das ist eigentlich egal. Versuche, auch wirklich so groß zu arbeiten, wie es Deinem Papiermaß entspricht. Je kleiner Du nämlich zeichnest, desto mehr Details kannst Du einfach wegschummeln. Vielleicht sieht Deine Zeichnung dann etwas besser aus, aber es kommt bei dieser Übung nicht darauf an, sich selbst ein bisschen zu belügen, sondern darum, diese Methode zu erlernen. Und auch hier gilt: Übung macht den Meister. Erwarte nicht von Dir selbst, dass Du nach dieser ersten Zeichnung bereits treffsicher ein Porträt zeichnen kannst. 1. Zeichne einen Kreis. Dafür kannst Du einen Zirkel verwenden, oder lege Dir einen Teller auf's Papier und zeichne dessen Umriss.
Zeichne Dir am besten einen Maßstab irgendwo an den Rand Deines Blattes. Die obere Markierung gibt den Scheitelpunkt Deines Kreises an, die zweite Markierung die Mitte des Kreises, und die dritte Markierung den tiefsten Punkt des Kreises. Als nächstes unterteilst Du Deine Markierungen nochmals: von A nach B in drei gleiche Teile, und von B nach C ebenso.
Da, wo die langen Linien der Markierungen auf den Kreis treffen, "sägen" wir den Kreis ab. Es entstehen keine geraden Linien, die gibt es beim Kreis nicht, sondern etwas gekrümmte Linien. Es wird Dir vielleicht deutlicher, wenn Du Dir die kleine Zeichnung hier rechts anschaust, in der Perspektive ist der abgesägte Kreis gut zu erkennen.
Links: Schau mal, ich habe einen neuen Maßstab angelegt, der sich jetzt an der Schnittfläche des Kreises orientiert. Die oberste Markierung entspricht der obersten Schnittkante. Die zweite Markierung ist die ehemalige Mittellinie. Die dritte Markierung ist die untere Schnittkante und jetzt erweitern wir den Maßstab um genau die gleichen Abmessungen nach unten: das wird das Kinn.Rechts: Da ist er nun schon: der erste Grundriss des Kopfes
Links: Wir orientieren uns nur noch an dem Maßstab, den wir zuletzt angelegt haben: Die erste Markierung davon ist der Haaransatz in der Mitte der Stirn. Gerade bei Männerporträts ist das extrem wichtig, denn stell Dir vor, Dein Modell hat Geheimratsecken... Rechts: Auf der Höhe der nächsten Markierung befinden sich die Augenbrauen.
Links: Ja, Du errätst natürlich sofort, wofür die zweite Markierung steht: die Nase. Rechts: Da, wo der Kreis endet, befindet sich der Mund. Damit haben wir nun alle wirlich wichtigen Linien für unser Porträt und sind am Ende dieses Tutorials angelangt..
Und natürlich mag es Dir ein wenig wie Zauberei vorkommen, wie man von so einem "Gerüst" zu einem fertigen Porträt kommt. Aber darauf werden wir in anderen Tutorials eingehen. Wie man lebendige Augen zeichnet, eine Nase, einen Mund oder Haare, wie man einer Haut eine Struktur und Dimension verleiht sind doch relativ komplexe Themen, die man nicht mit einem Satz erklären kann. Dein Erfolgserlebnis für heute muss sein, dass Du nun ein Porträt zeichnen kannst, das anatomisch korrekt ist. Das ist schon die halbe Miete. Und vor allem: es ist die Basis für alles, was beim Porträtzeichnen noch kommt.
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